Viele haben ihn herbeigesehnt, jetzt ist er fast bundesweit vollzogen: der sogenannte "Luftmassenwechsel". Die bisher im Großteil des Landes wetterbestimmende schwülwarme Subtropikluft wurde nun auch in weiten Teilen des Südens durch kühlere Meeresluft ersetzt.
Aktuell geht eine langandauernde, ausgesprochen ereignisreiche Wetterlage zu Ende. Die letzten Tage und Wochen waren nämlich in weiten Teilen Deutschlands (besonders betroffen waren der Süden und die Mitte) durch eine relativ feuchte Luftmasse und teils hochsommerliche Temperaturen bestimmt. Im Zusammenspiel mit schwachem Tiefdruckeinfluss entwickelten sich daher im Tagesverlauf starke bis schwere Gewitter (Unwetter), die in den Nächten nur langsam abklangen. An der Mehrzahl der Tage ging dabei die größte Gefahr von heftigem bzw. extrem heftigem Starkregen aus, der örtlich für enorme Verwüstungen sorgte. Die Bilder von schwimmenden Autos, Schlammlawinen und überfluteten Kellern waren fast täglich in den Medien zu sehen. Einige Orte wurden sogar mehrmals hintereinander von schweren Gewittern heimgesucht, sodass vereinzelt enorme Schäden an der Infrastruktur entstanden.
Auch am gestrigen Dienstag gab es in den beiden südlichen Bundesländern örtlich erneut sehr hohe Niederschlagsmengen. Viele Wetterstationen meldeten Stundenwerte über 30 Liter pro Quadratmeter (l/qm/h), teilweise wurden sogar mehr als 40 l/qm/h gemessen. Spitzenreiter waren die bayerischen Stationen Vilgertshofen-Pflugdorf mit 52 l/qm/h, Steinkirch-Hofstarring mit 46 l/qm/h und Wielenbach mit 45 l/qm/h. Aus unseren Radarinterpretationsprodukten lässt sich zudem ableiten, dass stellenweise mehr als 60 l/qm in kurzer Zeit zusammengekommen sind. Am Abend und in der Nacht zum Mittwoch gingen die Gewitter im Südosten zunehmend in länger anhaltenden Regen über. An den Alpen ist daher auch am heutigen Mittwoch noch eine Warnung vor Dauerregen aktiv.
Der Norden und die mittleren Landesteile bekamen von den gestrigen Gewittern nichts mehr ab. Dort wurde die schwülwarme Subtropikluft bereits am Montag sowie in der Nacht zum Dienstag durch kühlere und auch etwas trockenere Nordseeluft ersetzt. Ein solcher Luftmassenwechsel kann auch anhand der Bodenmessungen sehr gut nachvollzogen werden. Besonders gut eignet sich zur Luftmassenanalyse dabei die Zusammenschau von Lufttemperatur und der sogenannten "Taupunkttemperatur" (kurz: Taupunkt).
Die Taupunkttemperatur gehört zu den Luftfeuchteparametern und bezeichnet die Temperatur, auf die ein ungesättigtes Luftpaket bei gleichbleibendem Druck abgekühlt werden muss, um Sättigung zu erreichen. Der Taupunkt wird an den Wetterstationen des Deutschen Wetterdienstes im Gegensatz zur Lufttemperatur nicht direkt gemessen, sondern aus der Temperatur und der relativen Luftfeuchtigkeit mit Hilfe empirischer Formeln berechnet. Ganz entscheidend ist der Taupunkt für das menschliche Wohlbefinden: je höher der Taupunkt, desto schwüler wird die Luft empfunden. Ab einem mittleren Taupunkt von etwa 15 Grad beginnt im Normalfall das Schwitzen. Anhand der Messdaten von Dienstagnachmittag kann die zu diesem Zeitpunkt noch unterschiedliche Luftmassenverteilung sehr gut nachvollzogen werden: Im Norden wurden als Taupunkttemperatur nicht mal 10 Grad erreicht, im Süden und Südwesten musste dagegen bei 15 bis 18 Grad nochmal ordentlich geschwitzt werden.
Am heutigen Mittwoch und in der Nacht zum Donnerstag wird aber die feuchtwarme Luft allmählich auch im äußersten Südosten ausgeräumt. Nutzen Sie daher die nun vorherrschende kühlere und deutlich trockenere Luftmasse unbedingt zum Lüften der warmen Wohnungen! Etwas durchatmen können natürlich auch wir Warnmeteorologen nach einer sehr arbeitsreichen Zeit. Von Donnerstag bis Samstag werden nämlich kaum Wettergefahren erwartet, erst zum Sonntag steigt das Gewitterrisiko wieder deutlich an.
Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 13.06.2018