Thema des Tages: Sandstürme und Gewitter in Nordindien


Datum 05.05.2018



Mitte vergangener Woche kamen bei Sandstürmen in Nordindien mehr als 100 Menschen ums Leben. Deren Ursache waren für die Vormonsunzeit in Südasien durchaus übliche, in ihrer Heftigkeit jedoch ungewöhnliche Gewitter.

Eine Nachricht folgenden Inhaltes ging jüngst über die Agenturen: Mitte vergangener Woche gab es bei Sandstürmen in Nordindien mehr als 100 Tote. Am stärksten betroffen war der Bezirk Agra im Bundesstaat Uttar Pradesh, die gleichnamige Stadt am Yamuna-Fluss ist durch das weltberühmte Bauwerk Taj Mahal als alte Hauptstadt des Mogulreiches wohlbekannt. Laut Behördenangaben gehörten diese Extremereignisse zu den folgenschwersten, derartigen Unwettern in den vergangenen Jahrzehnten. Was war geschehen?

Sandstürme gibt es vor allem in den ariden und semiariden Gebieten der Erde im subtropischen Trockengürtel, zu denen auch Nordindien zählt. Dort sind im Mittel die Summen der gefallenen Niederschläge ganzjährig oder größtenteils geringer als die potentielle Verdunstung, so dass zumindest zeitweise Wassermangel herrscht. Für Sandstürme gibt es keine exakte Definition, sie entstehen, wenn starke Winde vom ausgetrockneten Boden loses Material wie Sand oder Staub aufwirbeln und abtransportieren.

Meteorologische Auslöser von Sandstürmen sind oftmals Kaltfronten oder mit schweren Gewittern einher gehende Böenlinien bzw. Böenfronten (engl. "Squall Lines"). In der Nacht zu Donnerstag hüllten die gewitterinduzierten Sandstürme weite Gebiete in Rajasthan und Uttar Pradesh in völlige Dunkelheit und brachten offensichtlich mindestens Sturmböen hervor, denn die meisten Opfer wurden im Schlaf durch umstürzende Mauern, Bäume oder Strommasten erschlagen während sie im Freien schliefen, um der brütenden Hitze in ihren Häusern zu entgehen.

Generell stellt sich mit steigendem Sonnenstand im "indischen Sommer", wie diese "Prä-Monsunphase" auch genannt wird, die atmosphärische Zirkulation über dem indischen Subkontinent vom Strömungsmuster des Winterhalbjahres zum Sommermonsunregime um. Während das Himalaya-System und das Hochland von Tibet noch kalt sind, liegt weiter südlich die subtropische Warmluftmasse, so dass in der mittleren Troposphäre über Südasien eine Westwinddrift vorherrscht.

Durch die zu dieser Jahreszeit intensive Sonneneinstrahlung werden die unteren Luftschichten über dem indischen Subkontinent stark erhitzt, labilisiert und bei Überlagerung der bodennahen Warmluft mit Kaltluft in der Höhe bilden sich gewittrige Störungen, die besonders in Bengalen, aber auch im gesamten Ganges-Tiefland recht heftige Entwicklungen aufweisen und organisierte Formen wie Squall-Lines oder Gewittercluster annehmen können. Kein Wunder also, dass es in den vergangenen Tagen auch im Bereich des Ganges-Deltas heftige Regenfälle gab.

Ein hoch aufgelöstes Satellitenbild, aufgenommen mit dem abbildenden Spektroradiometer MODIS (Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer) auf dem polarumlaufenden, sonnensynchronen Erdbeobachtungssatelliten "Terra", vom 03.05.2018, finden Sie unten. Rechts oben im Bild sieht man einen Ausschnitt des z.T. verschneiten Himalayas und südlich davon als scheinbar schmale Rinnsale die Nebenflüsse des Ganges. Zur Orientierung ist die Station Kanpur (26°28'N, 80°20'E) eingetragen worden. In der linken Bildhälfte beeindrucken die Cumulonimbus-Wolken eines mächtigen Gewitterkomplexes über dem Schwemmland des Yamuna, deren obere Teile als Eisschirm mit der Höhenströmung südostwärts driften.

Dipl.-Met. Thomas Ruppert

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 05.05.2018

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