Der Februar und der März waren deutlich zu kalt. Die unterkühlten Temperaturen hatten nachhaltigen Einfluss auf die Vegetationsentwicklung. Doch wie weit ist die Natur in diesem Jahr zurück?
Um die Frage zu klären, inwieweit die Kältephasen im Februar und Mitte März die Vegetation zurück gehalten haben widmen wir uns zunächst einmal einem Teilbereich der Meteorologie: der Phänologie. Die Phänologie beschäftigt sich mit den jedes Jahr vom Wetter abhängigen wiederkehrenden Wachstums- und Entwicklungszuständen von Pflanzen. Diese Entwicklungsphasen werden von zahlreichen ehrenamtlichen Beobachtern erfasst und in einem phänologischen Kalender notiert. Dafür werden bestimmte Zeigerpflanzen herangezogen. Zum Beispiel ist die Forsythienblüte charakteristisch für den Beginn des Erstfrühlings. Weil in diesem Jahr bisher nur an 10 % der phänologischen Messstationen eine Forsythienblüte beobachtet wurde, lässt sich dadurch zurzeit nur schwer eine Aussage treffen.
Da der Vegetationszustand allerdings maßgeblich von der Temperatur abhängt, soll hier ein anderer Ansatz gewählt werden: Die sogenannte "Grünlandtemperatursumme" ist eine spezielle Wärmesumme, die zu Hilfe genommen wird, um den nachhaltigen Vegetationsbeginn zu bestimmen. Zur Berechnung der Grünlandtemperatursumme werden alle positiven Tagesmitteltemperaturen seit Jahresbeginn aufsummiert. Diese werden allerdings nach Monaten gewichtet. Das heißt, im Januar wird das Tagesmittel mit dem Faktor 0,5 multipliziert, im Februar mit 0,75. Ab März geht dann der volle Wert ein. Erreicht die Grünlandtemperatursumme die magische Grenze von über 200 Grad, ist der nachhaltige Vegetationsbeginn erreicht. In Mitteleuropa wird damit der Termin für das Einsetzen der Feldarbeit bestimmt. Man spricht dann auch vom Beginn des agrarmeteorologischen Frühlings, der häufig mit dem Beginn der Forsythienblüte zusammenfällt.
Die beigefügte Grafik zeigt die Entwicklung der Grünlandtemperatursumme im Frühjahr der vergangen 30 Jahre für Frankfurt. Die rote Kurve markiert den Mittelwert. Die 200 Grad werden im Mittel am 12. März erreicht. In den meisten anderen Regionen Deutschland ist es kühler und das Datum ist entsprechend später. Extrem hohe Werte traten zum Beispiel in den Jahren 1994 und 2007 auf, als die Ergrünung bereits Ende Februar einsetzte. In den kalten Frühjahren 1996, 2006 und 2013 wurde die 200-Grad-Marke erst Anfang April erreicht.
Auffällig ist in diesem Jahr (grüne Linie) die bereits weit überdurchschnittlich hohe Summe Ende Januar, die auf einen sehr milden Januar zurückzuführen ist. So setzte vielerorts die Schneeglöckchenblüte, die den Beginn des Vorfrühlings markiert, besonders zeitig ein. Durch eine Kältewelle im Februar stagnierte die Grünlandtemperatursumme und somit auch die Vegetation für einen langen Zeitraum, soweit, dass sie sogar unter den Durchschnitt fiel. Eine wärmere Phase in der ersten Märzhälfte sorgte dafür, dass zumindest in den wärmer gelegenen Regionen Deutschlands die Vegetation nachhaltig einsetzte (in Frankfurt am 16. März). In der Nordosthälfte Deutschlands, wo es noch mal deutlich kälter war, sind wir noch weit davon entfernt. Die kalte Witterung der vergangenen Wochen hat dann kaum noch für einen Anstieg gesorgt, sodass die derzeitige Grünlandtemperatursumme mit zu den niedrigsten der vergangen 30 Jahre zählt. Grob geschätzt lässt sich sagen, dass je nach Region die Vegetation etwa 6 bis 10 Tage hinter dem Mittel zurückliegt. Dieser Rückstand wird sich über Ostern bei den vorhergesagten kühlen Temperaturen, Nachtfrösten und Schneefällen im Bergland und Nordosten sogar noch etwas vergrößern. Erst nächste Woche deutet sich eine deutliche Erwärmung an, wobei die Vegetation dann regelrecht explodieren könnte.
Dipl.-Met. Christian Herold
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 28.03.2018