Der Martinssommer heizt den November kurzfristig auf und lässt die Temperaturen gen 20 Grad steigen. Doch entsprechend seiner Definition kann er sich nicht lange halten und muss dem Frühwinter rasch wieder weichen!
Sonnenschein und Höchstwerte zwischen 14 und 19 Grad ließen am gestrigen Mittwoch im Südwesten Frühlingsfeeling aufkommen! Dort stiegen die Temperaturen auf Maxima um 18 Grad. Den Spitzenwert registrierte die Station in Müllheim (BW) mit einem Maximum von 18,1 Grad. Es folgten Freiburg mit 17,8 Grad und Metzingen mit 17,5 Grad. Am heutigen Donnerstag sind in den genannten Regionen lokal sogar Höchsttemperaturen bis 20 Grad möglich. Auch sonst werden in Deutschland milde bis sehr milde Werte zwischen 10 und 17 Grad erwartet. Entsprechend gelangen regional wieder Novemberrekorde oder zumindest Dekadenrekorde in Reichweite.
Völlig außergewöhnlich ist eine Wärmeperiode vor allem Mitte November jedoch nicht, schon die Bauernregeln geben Hinweise auf diese überdurchschnittlichen Temperaturen. Im Volksmund wird eine typische Schönwetterperiode aufgrund stabiler Hochdrucklagen gegen Ende der ersten Novemberdekade vor allem in der Schweiz und Süddeutschland als "Martinssommer" oder "Martini-Sommer" bezeichnet. Dort ermöglicht die Wärmeperiode in den Weinbaugebieten eine Novemberlese. Aus meteorologischer Sicht gehören diese Tage zu den stetigen Singularitäten. Mittlerweile wird der Ausdruck Martini-Sommer im gesamten deutschsprachigen Raum angewendet.
Der Glaube an diese sogenannten Lostage geht auf Gebräuche des Altertums zurück, die später von der christlichen Kirche übernommen wurden. Im Mittelalter wurden diese Termine und andere Bauernregeln meist mündlich u.a. in "Bauernpraktiken" sowie in landwirtschaftlichen Kalendern überliefert. Im Falle des "Martini-Sommers" ereignete sich der Legende nach dieses Wetterphänomen erstmals beim Tod des heiligen Martin im französischen Tours. Der Bischof starb unerwartet während eines Besuches im Kloster, das er gegründet hatte. Bei der Überführung seines Leichnams auf der Loire in die Stadt sorgte ein plötzlicher Wärmeeinbruch dafür, dass die Ufer neu ergrünten und Obstbäume zu blühen begannen. Dieser Vorgang wurde damals als vermeintliches Wunder angesehen. Der "Martinssommer" ist demnach eine Zeit mit einigen warmen Tagen kurz vor der dunklen Winterzeit.
Dem Volksmund nach währt der "Martinssommer" jedoch nicht lange. Und so ist es auch in diesem Jahr! Schon am Freitag machen sich von Nordwesten her Regen und kältere Luft auf den Weg, das Land wieder zu fluten. Auch wenn sich der Süden Deutschlands nach Kräften wehrt, siegt doch am Ende der Frühwinter. Mit Umstellung der Wetterlage auf Nordwest wird die sehr milde bis warme Luft wieder ausgeräumt. Zwischen hohem Luftdruck über Westeuropa sowie dem Ostatlantik und einem Tiefdruckwirbel über Skandinavien strömt vom Nordmeer über die Nordsee hinweg zunehmend kalte Polarluft ins Land (vgl. Graphik). Damit gehen die Temperaturen auf Sinkflug und sollen am Sonntag nur noch Höchstwerte zwischen 2 und 8 Grad erreichen. Gleichzeitig sinkt die Schneefallgrenze allmählich wieder ab, so dass im Verlauf bis in mittlere Höhenlagen erneut die feste weiße Phase dominiert. Nachts macht sich zudem vor allem in der Südhälfte Frost breit.
Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 23.11.2017