Nachdem Sie vor kurzem von der Schneefallgrenze lesen konnten, folgt heute die Diskussion zum Thema "Schneeliegenbleibgrenze".
Vor vier Tagen, am 27.10. war hier im Thema des Tages von der Schneefallgrenze die Rede. Wir können danach berechnen, dass bei der Genauigkeit einer Vorhersage von +/-1 Grad sie bestenfalls mit einer Genauigkeit von +/-150 Metern vorherzusagen ist. In ungünstigen Fällen können die Fehler auch bei genauer Temperaturvorhersage sogar bis zu 500 Meter erreichen.
In Bezug auf die "Schneeliegenbleibgrenze" beginnen wir zu einem normalerweise trivialen Fall. Es schneit und der Boden ist kälter als null Grad. Da bleibt der Schnee eigentlich liegen. Das gilt zumindest für Skipisten, nicht jedoch - und da ist die Grenze wesentlich wichtiger - für gestreute und gesalzene Straßen. Da Tausalz bis etwa -16 Grad wirkt, liegt dort die "Schneeliegenbleibgrenze", je nachdem wie viel Salz noch auf der Straße verbleiben ist, bei Belagstemperaturen zwischen 0 und -16 Grad.
Problematisch ist es bei ungesalzenen Straßen, wenn am und im Boden Temperaturen über null Grad gemessen werden, wie es typischerweise zur Zeit des ersten Schneefalls und auch bis in den Dezember hinein in den Niederungen Deutschlands normal ist. Dann wird der gefallene Schnee so lange geschmolzen, bis die Oberfläche durch Abgabe der zum Schmelzen notwendigen Energie auf Werte unter null Grad abkühlt. Dann erst bildet sich eine Schneedecke.
Was passiert, wenn am Boden und in der Luft Temperaturen über null Grad herrschen und der Niederschlag infolge Verdunstungsabkühlung bis etwa plus 7 Grad als Schnee fallen kann? Bei einer Lufttemperatur oberhalb etwa plus 5 Grad gibt es keine Probleme. Schnee fällt bei so hohen Temperaturen nur bei sehr trockener Luft und es sind so wenige Schneesterne, dass die Schneeflocken unmittelbar beim Auftreffen schmelzen und den Boden kaum abkühlen. Kritisch wird es bei Schauern, die im Frühjahr trotz Lufttemperaturen bis plus 4 Grad eventuell als Schnee fallen und schnell mal 10 cm Schneehöhe bringen können. In diesem Fall kann der inzwischen durch Regen vom Restsalz befreite Straßenbelag gar nicht so schnell Wärme nachliefern, wie es nötig wäre, um allen Schnee zu schmelzen. In kürzester Zeit kühlt die Oberfläche auf null Grad ab und es entsteht eine Schneedecke. Nun gibt es die Regel, "Winterreifen von O(ktober) bis O(stern). Liegt Ostern - wie 2018 - Anfang April, sind Schneeschauer nach Ostern ziemlich wahrscheinlich. Und alle, die schon nach der "O bis O-Regel" auf Sommerreifen umrüsteten, haben Pech gehabt. Sie müssen nach dem Schneefall so lange warten, bis Schnee oder Schneematsch von der Straße verschwunden sind. Das kann in den frühen Morgenstunden ziemlich lang dauern.
Ansonsten gibt es noch viele andere Bedingungen, die die "Schneeliegenbleibgrenze" beeinflussen. Man denke nur an von der Sonne beschienene oder im Schatten liegende Straßen. Das kann im Frühjahr locker 10 Grad und mehr bei der Belagstemperatur ausmachen. Auch Straßenbeläge verhalten sich völlig verschieden. Beton und Bitumen haben allein von der Farbe her ein ganz verschiedenes Verhalten in Bezug auf die Strahlung und damit auf die Oberflächentemperatur.
Um es zusammenzufassen: Ist die Vorhersage der exakten Schneefallgrenze schon ein großes Problem, so ist insbesondere bei vom Winterdienst bearbeiteten Straßen die Vorhersage der "Schneeliegenbleibgrenze" ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen.
Dipl.-Met. Christoph Hartmann
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 31.10.2017