Zyklonale Westwetterlagen sind typisch für unser mitteleuropäisches Klima. Zwischen hohem Luftdruck von den Azoren bis zum Mittelmeer und einer ausgedehnten Tiefdruckzone über dem Europäischen Nordmeer gelangt mit westlicher Strömung kühle und wolkenreiche Atlantikluft nach Zentraleuropa. Dabei verschärften sich in der ersten Wochenhälfte die Luftdruckgegensätze über dem Nordatlantik derart, dass uns - recht früh im Jahresverlauf - am gestrigen Mittwoch der erste Herbststurm der Saison ins Haus stand.
Der Jahresverlauf der Witterung in Mitteleuropa besteht aus einer Folge typischer Wettersituationen, den "Großwetterlagen". Diese ergeben sich aus weiträumigen Luftdruckverteilungen und den daraus resultierenden Strömungsmustern der beteiligten Luftmassen in Bodennähe sowie auch in den darüber liegenden Luftschichten.
Das Wetter selbst wird außerdem durch die Eigenschaften der in die Zirkulation einbezogenen Luftmassen dominiert. Es kann während der Andauer einer Großwetterlage an einzelnen Orten innerhalb des betrachteten Gebietes durchaus wechseln, der allgemeine Witterungscharakter bleibt jedoch erhalten.
Seit dem vorgestrigen Dienstag hat sich eine "zyklonale Westlage" (wissenschaftliche Abkürzung Wz) eingestellt, wobei "zyklonal" für "tiefdruckdominiert" steht. Zwischen hohem Luftdruck von den Azoren bis zum Mittelmeer und einer ausgedehnten Tiefdruckzone über dem Europäischen Nordmeer verläuft die Frontalzone, also der Übergangsbereich zwischen ursprünglich subtropischen Luftmassen im Süden und subpolaren Luftmassen im Norden, in einem weiten, äquatorwärts ausgeformten Bogen.
Mit kräftigen, im Mittel westlichen Winden, wird feuchte Atlantikluft herangeführt, die uns generell im Winter milde, im Sommer kühle Witterung beschert. Kein Wunder also, dass die Höchsttemperaturen in diesen Tagen in Deutschland von vielen Zeitgenossen als "kalt" empfunden werden. In die Strömung eingelagerte Tiefausläufer bringen außerdem zeit- und gebietsweise Niederschläge.
In diesem Falle besorgte uns die derzeitige Westwetterlage auch den ersten Herbststurm der Saison. Ein Polarluftausbruch aus der grönländischen Arktis verstärkte den bereits über dem europäisch-atlantischen Raum liegenden "Trog mit hoch reichender Kaltluft" derart, dass sich im korrespondierenden Bodendruckfeld aus einem zunächst unscheinbaren Randtief über dem Nordatlantik die Sturmzyklone SEBASTIAN entwickeln konnte. SEBASTIAN intensivierte sich rasch und zog mit seinem Kern (Luftdruck kleiner als 980 hPa) von den Britischen Inseln hinweg über die Nordsee nach Skandinavien.
Das südwestlich des Tiefdruckkerns liegende Sturmfeld überquerte uns im Wesentlichen am gestrigen Mittwoch, als in Deutschland vielerorts Sturmböen (Windstärke 9 Bft), an der See sowie im Bergland auch Orkanböen (Windstärke 12 Bft) registriert wurden. Mittlerweile liegt sein "schleifendes" Frontensystem in Südwest-Nordost-Richtung über dem Südosten Deutschlands und verursacht noch gebietsweise Dauerregen. Weiter nordwestlich bilden sich auf der Rückseite des Sturmtiefs in der nach Mitteleuropa einfließenden, labil geschichteten Meeresluftmasse polaren Ursprungs Schauer und "Kaltluftgewitter".
In der Abbildung hinter http://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2017/09/14.html finden Sie oben vom amerikanischen Vorhersagemodell GFS für Mittwoch, den 13.09.2017, 06:00 Uhr UTC, berechnete Analysen der geopotentiellen Höhe der die mittlere Troposphäre repräsentierenden 500-hPa-Hauptdruckfläche (schwarze Isopotentialen, Maßeinheit geopotentielle Dekameter, [gpdam]), des Bodendruckfeldes (weiße Isobaren in Hektopascal [hPa]) sowie der die Schichtdicke der unteren Troposphäre kennzeichnenden "relativen Topographie" H500-H1000 gpdam. Darunter wird die für denselben Termin vom Deutschen Wetterdienst manuell analysierte Bodenwetterkarte gezeigt.
Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 14.09.2017