Im heutigen Thema des Tages soll ein erster meteorologischer Rückblick auf Hurrikan "Irma" geworfen werden, der derzeit noch große Teile von Florida im Griff hat.
Am kommenden Mittwoch wird der erste richtige Herbststurm für ordentlichen Wind in weiten Teilen von Deutschland sorgen. Windböen und Sturmböen stehen auf dem Programm. An der Nordsee und im höheren Bergland sind sogar orkanartige Böen mit Windgeschwindigkeiten bis lokal 115 km/h möglich.
Vergleicht man die Windgeschwindigkeiten mit denen, die man auf den Höhepunkt der Entwicklung von Hurrikan "Irma" gemessen hat, dann wird schnell die Dimension dieser Naturgewalt klar. Der (einminütige) Mittelwind lag bei knapp 300 km/h, die Böen (wenige Sekunden) sicher noch darüber. Ermitteln kann man die Windgeschwindigkeiten abseits von Bodenmessungen übrigens mit der Hilfe von Flugzeugen. Diese Flüge werden von der NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) durchgeführt. Dabei durchfliegt man den Hurrikan auf verschiedenen Flugstrecken mehrfach. Mit Messgeräten und Fallsonden werden somit die Werte des Hurrikans ermittelt.
"Irma" hat mittlerweile schon einen langen Lebensweg hinter sich gebracht. Bereits am 30. August hat sich das tropische System westlich der Kapverdischen Inseln gebildet. Auslöser dafür war wie so häufig ein größerer Gewittercluster, der sich entlang der sogenannten innertropischen Konvergenzzone über dem westlichen Afrika gebildet hat. Unter besten Bedingungen konnte sich diese Störung rasch zu einem Hurrikan entwickeln. Wichtige Voraussetzungen sind hohe Wassertemperaturen (>26 Grad bis etwa 50 m Tiefe), hohe relative Luftfeuchtigkeit in der Atmosphäre sowie wenig Änderungen des Windes mit der Höhe (vertikale Windscherung). Damit sich ein gegen den Uhrzeigersinn drehender Hurrikan (Nordhalbkugel!) entwickeln kann, ist es zudem notwendig, dass der Ursprung ausreichend weit vom Äquator entfernt liegt (mindestens 500 km). Sonst würde die notwendige und durch die Erdrotation hervorgerufene Corioliskraft fehlen.
Fortan trat "Irma" seinen langen Weg nach Westen über den atlantischen Ozean an und wurde bereits am 31. August als Kategorie2 Hurrikan eingestuft und kurz darauf mit der Stärke 3 bedacht. Am 04. September erreicht "Irma" schließlich Kategorie 4 und einen Tag später Kategorie 5. Diese Stärke behielt der Hurrikan über zweieinhalb Tage lang bis zum 08. September bei. Damit gehört "Irma" zu den am längsten als Kat5 eingestuften Systemen im Atlantik. Der Höhepunkt der Entwicklung mit den oben beschriebenen Winden und einem Kerndruck von 914 hPa war der 06.September. Zum Vergleich: Das Sturmtief, das am Mittwoch für Deutschland vorhergesagt ist, wird mit einem Kerndruck von etwa 980 hPa prognostiziert.
Mit diesen Windgeschwindigkeiten ist "Irma" der stärkste atlantische Hurrikan, der jemals östlich vom Golf von Mexiko und nördlich der Karibik gemessen wurde. Hurrikan Allen (1980) im Golf von Mexiko war nur wenig stärker mit etwas über 300 km/h Mittelwind. Mit voller Stärke traf "Irma" am 06. September erstmals auf Land und hat auf den Leeward Islands ("Inseln unter dem Winde") für weitreichende Zerstörung und auch Todesopfer gesorgt. Damit gehört der Hurrikan zu den stärksten, die jemals auf Land getroffen sind. Nur die Philippinen im Pazifik haben dies 2013 mit Taifun Haiyan und 2016 mit Taifun Meranti noch übertroffen.
Im weiteren Verlauf zog "Irma" weiter westwärts, tangierte Hispaniola und traf schließlich über dem nördlichen Kuba kurzzeitig an Land. Dieser Landgang schwächte den Hurrikan durch das fehlende Meerwasser als Energiequelle und die erhöhte Bodenreibung deutlich zu einem System der Stärke 3 ab. Wäre "Irma" nur wenig weiter nördlich gezogen und hätte sich damit nicht so stark abgeschwächt, wären die jetzt schon weitreichenden Schäden für Florida noch weitaus heftiger ausgefallen!
Am gestrigen 10. September drehte "Irma" schließlich auf Nord-Nordwestkurs ein, überquerte die vorgelagerten Inseln (Florida Keys) und befindet sich aktuell nach erneutem Landgang direkt über Florida. Dabei hat er sich deutlich abgeschwächt (derzeit noch Kat1) sorgt aber noch für ordentlich Wind und viel Regen.
Gemessen wurden Windgeschwindigkeiten in Böen über 190 km/h (National Key Deer). In Key West gab der Windmesser bei über 140 km/h seinen Geist auf. Es ist durchaus denkbar, dass auch noch höhere Windgeschwindigkeiten aufgetreten sind. Außerdem ist die Dimension des Hurrikans zu erwähnen. Das Windfeld hatte und hat einen sehr großen Radius, sodass nahezu über der gesamten Halbinsel von Florida Böen in Orkanstärke gemessen wurden. Neben dem Wind und den heftigen Regenfällen sorgt vor allem die Sturmflut für große Probleme. Die nur wenig über dem Meeresspiegel liegenden Regionen entlang der Küsten wurden großflächig überflutet.
Es ist beeindruckend, dass schon eine Woche vorher die Zugbahn von den Wettermodellen in etwa so vorhergesagt wurde, wie sie nun eingetreten ist. Während die Intensitätsvorhersage noch größere Schwierigkeiten birgt, lässt sich die Zugbahn also schon lange im Voraus ziemlich gut prognostizieren und es können entsprechende Vorkehrungen vorab getroffen werden.
Dies kann nur eine erste grobe Zusammenfassung sein. Im Netz finden sich zahlreiche weitere Informationen, insbesondere über die Auswirkungen. Am Mittwoch können Sie in einigen Regionen Deutschlands erleben, wie kräftig sich allein schon Sturmböen anfühlen. Vielleicht bekommt man dann ein Gefühl dafür, welch heftigen Wind "Irma" hervorgebracht hat - ein Hurrikan für die Geschichtsbücher.
Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 11.09.2017