Thema des Tages: Surferwissen - Teil 4: Die "Land-Seewind-Zirkulation"


Datum 10.08.2017



Wer im Urlaub schon einmal gesurft ist, weiß, dass die "perfekte Welle" enorm vom Wetter abhängig ist. Dabei ist die Theorie, die hinter der Vorhersage solcher Meereswellen steckt, alles andere als einfach. Grund genug, die Wellenvorhersage für Surfer genauer anzuschauen.

Tiefdruckgebiete, die für "perfekte" Wellen zum Surfen von fundamentaler Bedeutung sind (man erinnere sich an Teil 1 dieser Themenreihe), entstehen nicht nur weit draußen über dem Ozean, sondern können sich auch in der Nähe einer Surfregion aufbauen. Darüber freuen sich die Wellenreiter normalerweise nicht, denn der mitunter stürmische Wind kann die ankommenden Wellen "zerblasen". Daher wünscht man sich zum Surfen idealerweise eine windschwache Hochdruckwetterlage, denn auch bei einer solchen kann sich lokal ein kleinräumiges Windsystem entwickeln, das besser als die sogenannte "Land-Seewind-Zirkulation" bekannt ist.

Bei der Land-Seewind-Zirkulation handelt es sich um ein thermisches Phänomen, das sich aus der unterschiedlichen Erwärmung bzw. Abkühlung von Land und Wasser ergibt. Die großräumige Wetterlage spielt dabei keine große Rolle, kann die lokale Zirkulation allerdings überlagern oder zum Erliegen bringen. Entsprechend findet man dieses Windsystem meist an Meeresküsten oder auch an größeren Binnenseen.

Die Entstehung der Land-Seewind-Zirkulation ist auf die unterschiedliche Wärmekapazität von Land und Wasser zurückzuführen. Aufgrund der geringeren Wärmekapazität erwärmt sich der Erdboden um ein Vielfaches schneller als die Wasseroberfläche. Um beispielsweise Wasser um ein Grad Celsius zu erwärmen, wird fast fünfmal so viel Energie benötigt, wie es für Sand nötig wäre. Erwärmt sich die Landfläche tagsüber durch die Sonneneinstrahlung, kann die sich über dem Erdboden befindliche, aufgeheizte Luft aufgrund ihrer geringeren Dichte aufsteigen. Dadurch entsteht am Boden ein Mangel an Luftmolekülen, also ein lokales, kleinräumiges Tiefdruckgebiet. Um dieses Defizit auszugleichen, erfolgt eine Luftströmung vom Wasser zum Land, die man auch als auflandigen Wind (Seewind) bezeichnet. Die Luftmassen, die damit über dem Wasser abtransportiert werden, müssen dann aus höheren Luftschichten ersetzt werden. Somit entsteht dort unmittelbar über der Wasseroberfläche ein lokales Hochdruckgebiet. In der Höhe sind die Druckgebilde genau entgegengesetzt angeordnet und es stellt sich eine Ausgleichsströmung vom Land zum Wasser ein. Entsprechend erhält man einen geschlossenen Kreislauf, eine Zirkulation. Unter www.dwd.de/tagesthema ist die Land-Seewind-Zirkulation in der linken Abbildung auch grafisch dargestellt.

Nach Sonnenuntergang kehren sich dann die Verhältnisse um. Durch die geringe Wärmekapazität der Landmassen kühlen diese wesentlich schneller ab als das Wasser. Somit dreht sich die Zirkulation im Laufe der Nacht um und es stellt sich ein ablandiger Wind (Landwind) ein.

Die Windrichtungen werden beim Surfen grundsätzlich in die Begriffe "Offshore", "Onshore", und "Sideshore" oder "Cross-shore" eingeteilt. Da Wellenreiten ein internationaler Sport ist, stammen sie, wie auch viele weitere Begriffe der Surfersprache, aus dem Englischen. Das Wort "Shore" bedeutet "Ufer" oder "Küste". Offshore steht entsprechend für Wind, der vom Land kommt und auf das Meer hinaus weht (Landwind). Pustet er stattdessen vom Meer aufs Land (Seewind) nennt man ihn Onshore-Wind. Bläst der Wind dagegen parallel oder schräg zum Ufer, wird er als Sideshore oder Cross-shore bezeichnet.

Die Wellen vor Ort werden direkt durch dieses Windsystem beeinflusst. Erreichen geordnete Wellensets die Küste, so drückt der Onshore-Wind die Wellen von hinten nieder. Offshore-Wind hingegen bläst direkt in die Wellen hinein, sodass sich diese länger aufbauen können und später brechen. Für Anfänger ist Windstille oder ein schwacher Onshore-Wind attraktiv, denn dann sind die Wellen kleiner und einfacher zu surfen. Der erfahrene Surfer hingegen hofft auf Offshore-Wind, denn dieser sorgt nicht nur für länger anhaltendes Surfvergnügen. Auch der bei Surfern heiß begehrte Wellentunnel, der unter den Wellenreitern auch als "Tube" (engl. für "Röhre") oder "Barrel" (engl. für "Fass") bekannt ist, tritt bei ablandigem Wind auf (siehe rechte Abbildung). Dabei bricht der obere Teil einer steilen Welle auf die Wasseroberfläche und es entsteht ein hohler Wellentunnel, der zu einer Seite hin eine Öffnung aufweist. Die Welle überschlägt sich also förmlich. So entsteht der röhrenartige Wellentunnel, durch den man mit ausreichender Geschwindigkeit hindurchsurfen kann. Dieser "Barrel-" oder "Tuberide" ist für viele Surfer das "Höchste der Gefühle".

MSc.-Met. Sebastian Schappert

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 10.08.2017

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