Ein für den Sommer ungewöhnlich stark entwickeltes Tief mit dem Namen XAVIER sorgt für einen wettertechnisch turbulenten Mittwoch.
Eine für uns Meteorologen und Wetterbegeisterte gleichermaßen hochinteressante wie brisante, für Sonne- und Wärmeliebhaber eher unerfreuliche Wetterlage steht uns am heutigen Mittwoch bevor. Sommersturm XAVIER wartet quasi mit dem gesamten Spektrum an im Sommer möglichen Wettergefahren auf. Neben starken bis stürmischen Böen treten Gewitter mit Sturmböen, lokalem Starkregen und Hagel auf, ja sogar mit gebietsweisem Dauerregen muss gerechnet werden.
XAVIER lag mit seinem Kern heute Morgen (8 Uhr MESZ) über der niederländischen Provinz Zeeland, verlagert sich nun im Tagesverlauf etwa entlang der nördlichen Mittelgebirgsschwelle ostwärts und erreicht am Abend bereits Polen. Der Luftdruck im Zentrum des Tiefs pendelt sich bei rund 1005 hPa ein. Über dem Alpenraum dagegen beträgt der Luftdruck im Bereich eines Hochdruckkeils teils mehr als 1015 hPa. Ein Luftdruckgefälle zwischen Alpen und Tiefdruckkern von 10 bis 15 hPa auf gut 400 km kann sich im Sommer durchaus sehen lassen.
Folglich legt der Wind in der kompletten Südhälfte, ab dem Nachmittag und Abend auch in der Nordhälfte von West nach Ost zu und erreicht in Böen verbreitet Stärke 7 (bis 60 km/h), in exponierten Lagen Stärke 8 (um 70 km/h). In höheren Lagen weht der Wind sogar mit Sturmstärke 9 (bis 85 km/h).
Zu diesem rein aus dem Luftdruckgradienten heraus bedingten Wind kommen noch die "konvektiven Windböen", also Böen, die mit dem Auftreten von Schauern und Gewittern in Verbindung stehen. Dabei kann der in höheren Luftschichten meist deutlich stärkere Wind mitunter bis zum Boden "heruntergemischt" werden. Das passiert insbesondere dort, wo sich Schauer und Gewitter linienhaft anordnen. Das größte Potenzial dafür besteht in der Südhälfte Deutschlands, wo mit südwestlicher Strömung nochmal ein Schwall feucht-warmer Subtropikluft herangeführt wird und die die Windgeschwindigkeitszunahme mit der Höhe, also die Windscherung am größten ist. Windgeschwindigkeiten bis 50 Knoten in 1500 m Höhe und 60 Knoten in 2500 m Höhe lassen Sturmböen, teils auch schwere Sturmböen bei Schauern und Gewittern möglich erscheinen, sogar orkanartige Böen sind nicht auszuschließen. Die weiteren Begleiterscheinungen wie lokaler Starkregen und Hagel treten dabei, zumindest hinsichtlich des Gefahrenpotenzials, eher in den Hintergrund.
Eine solche Windentwicklung ist für den Sommer recht ungewöhnlich und gefährlich zugleich. Während sich die Bäume im Winter bei diesen Böen in der Regel noch geschmeidig in den Wind legen können und kaum Schaden davon tragen, stürzen sie im Sommer nicht selten um oder werden zumindest größerer Äste entledigt. Denn die Belaubung im Sommer führt zu einer viel größeren Angriffsfläche für den Wind und damit bei vergleichbarer Windstärke zu einem weitaus größeren Winddruck. Besonders dort, wo stürmische Böen auftreten, die Böden vielleicht sogar noch dazu durch Niederschläge aufgeweicht sind, sollten umstürzende Bäume als ernstzunehmende Gefahr in Betracht gezogen werden.
Fehlt noch der Regen - und der fällt vor allem über der Nordhälfte nicht zu knapp. Bereits Mittwochmorgen haben mit Annäherung von Tief XAVIER länger anhaltende und teilweise kräftige Regenfälle den Westen und Nordwesten erreicht. Diese breiten sich im Tagesverlauf ostwärts aus und ziehen in der Nacht zum Donnerstag langsam ostwärts ab. Aufsummiert muss in der Nordhälfte bis Donnerstagfrüh verbreitet mit 10 bis 20, gebietsweise sogar mit 20 bis 40 l/qm gerechnet werden. Ein größerer Teil dieser Mengen kann auch in wenigen Stunden fallen, sodass weitere Starkregenwarnungen notwendig werden.
Wer nun hofft, dass mit Abzug von Tief XAVIER wieder beständiges, warmes und sonniges Sommerwetter Einzug hält, schaut wohl erst mal in die Röhre. Zwar setzt sich am Donnerstag vorübergehend Zwischenhocheinfluss durch, doch zum Wochenende greifen neue Tiefausläufer vor allem auf die Nordosthälfte über, sodass zumindest dort mit einer Fortsetzung des leicht unbeständigen Wetter zu rechnen ist.
Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 12.07.2017