Gewitter gehören gerade im Sommer fast zum täglichen Alltag. Doch welche Bedingungen müssen vorliegen und wie muss die Atmosphäre beschaffen sein, damit schwere Gewitter entstehen können? Ein kleines Puzzlestück ist dabei die sogenannte CIN!
Sommerzeit ist Gewitterzeit! Wie Gewitterzellen entstehen und zu welcher Intensität sich diese entwickeln, ist im Wesentlichen von der atmosphärischen Temperatur- und Feuchteschichtung abhängig. Die erste Voraussetzung für die Entwicklung einer Gewitterzelle ist aufsteigende Luft, die das Kondensationsniveau - also die Höhe der Wolkenbildung - erreicht. Dies kann entweder thermisch bedingt geschehen, indem im Vergleich zur Umgebung bodennahe warme und somit leichtere Luft aufsteigt oder aber durch erzwungenes Aufsteigen bei einer Windströmung gegen orographische Hindernisse (z.B. Gebirge) hervorgerufen werden. In beiden Fällen kühlt sich die Luft auf ihren Weg nach oben ab. Da kalte Luft jedoch weniger Feuchte als warme Luft aufnehmen kann, fällt ab dem Niveau der Sättigung überschüssige Feuchte als kleine Wolkentröpfchen aus (Kondensationsniveau; vgl. auch Eintrag "Kondensation" im Wetterlexikon des DWD). Fehlt allerdings ab dem Kondensationsniveau der weitere Antrieb in größere Höhen zu steigen, sind lediglich flache Schichtwolken die Folge. Um jedoch eine hochreichende Gewitterwolke entstehen zu lassen, muss die Luft irgendwie bis zum sogenannten "Level of Free Convection" (LFC) gelangen.
Der LFC stellt dabei die geringste Höhe eines vom Erdboden aufsteigenden feucht warmen Luftpakets dar, ab dem seine Temperatur höher als die seiner umgebenden Luft ist (vgl. Abbildung). Als gesättigtes Luftpaket ist es in der Lage, sich ab dem LFC durch eigenen Antrieb selbständig frei aufwärts zu bewegen. Je tiefer das LFC liegt, desto eher tritt bei Aufstiegsvorgängen (Hebungsvorgängen) Konvektion ein und umgekehrt.
Als Gegenspieler entpuppt sich dabei aber die CIN (Convective Inhibition). Der "CIN-Wert" (CIN = Convective Inhibition, dt. Konvektionshemmung) ist eine meteorologischer Größe, die die Energiemenge beschreibt, die ein aufsteigendes Luftpaket daran hindert, vom Boden bis zum LFC aufzusteigen. Der CIN-Wert spiegelt somit die Stärke des "Deckels" wider, der eine Auslösung von Konvektion (hochreichend auftürmende Wolken) verhindert. Je größer die CIN-Werte sind, desto unwahrscheinlicher ist also die Entstehung von Gewittern.
Geringe CIN-Werte können hingegen für die Entwicklung von schwerer Konvektion sogar förderlich sein. Ein "Deckel" macht eine flächige Entstehung von Gewittern eher unwahrscheinlich. Lokal begrenzt können Luftpakete beispielsweise durch erzwungene Hebung an Gebirgen den CIN überwinden und somit dennoch den LFC erreichen und weiter aufsteigen. Die Gewitterzellen, die sich dann bilden, haben die komplette in der Atmosphäre vorhandene Energie verfügbar und können damit zu kräftigen Gewitterclustern heranwachsen. Wenn kein CIN vorhanden ist, kann sich dagegen jeder kräftige Aufwind zu einer Gewitterwolke entwickeln. Eine flächige Auslösung dieser ist somit wahrscheinlich, sodass sich alle entstehenden Gewitter die vorhandene Energie in der Atmosphäre aufteilen müssen.
Ursachen für hohe "CIN-Werte" können vielfältig sein. Eine Möglichkeit ist das Vorhandensein einer Inversion (vgl. Eintrag "Inversion" im Wetterlexikon des DWD) oder eine sehr trockene Grenzschicht in der unteren Troposphäre mit geringen Werten an relativer Feuchtigkeit. Auch Kaltluftadvektion, also der Zustrom kälterer Luft in bodennahen Schichten oder die in den Abendstunden einsetzende Abkühlung der unteren Luftschichten durch Ausstrahlung führt zu einer deutlichen Erhöhung der CIN-Werte und verhindert, dass sich neue Gewitter vom Boden her weg bilden können.
Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 13.06.2017