Das Tief "Ingraban" bringt ab den kommenden Stunden bis Donnerstag neben Regen und Gewittern auch Sturm und kühlere Temperaturen. Alle Hintergründe dazu im heutigen Thema des Tages.
Nachdem in den letzten Wochen inklusive des heutigen Dienstags vor allem Gewitter (teils mit Unwettercharakter) die meteorologischen Schlagzeilen beherrschten, hält die Atmosphäre für uns ein "Schmankerl" bereit, das normalerweise eher im Winterhalbjahr zu finden ist. So zieht aktuell ein für die Jahreszeit kräftiges Sturmtief von den Britischen Inseln über die Nordsee hinweg Richtung norwegische Küste. Dabei erreicht es am morgigen Mittwoch den Höhepunkt seiner Entwicklung und sorgt bei uns nahezu landesweit für einen stark auffrischenden und böigen Südwestwind.
Das Tief wurde von der Freien Universität Berlin auf den Namen "Ingraban" getauft, ein sicher nicht allzu geläufiger Name. Das Teilwort "Ing" steht dabei für die germanische Gottheit "Ingwio", "Raban" für den Raben, der in Namen sinngemäß mit "der Schlaue" oder "der Scharfsichtige" gleichzusetzen ist. Zusammengesetzt bedeutet der Name also "der schlaue Ingwäone", der vermutlich zu einem germanischen Stamm gehörte, doch das nur am Rande.
Welche Prozesse waren nun entscheidend für die Sturmtiefentwicklung? Förderlich sind zum einen die Temperaturunterschiede im Umfeld des Tiefs. Während am heutigen Dienstag in Schottland und Ostengland bei kräftigem Regen auf der Tiefrückseite nur kühle 10 bis 15 Grad erreicht werden, gibt es östlich der Elbe auf der Vorderseite verbreitet einen Sommertag mit Höchstwerten über 25 Grad. Zudem ist die Konstellation in höheren Schichten der Atmosphäre günstig, da die Luft direkt über dem Tiefkern beginnt auseinanderzuströmen (Diffluenz). Aus Kontinuitätsgründen muss dadurch Luft aus unteren Schichten nachströmen, um diesen "Massenverlust" auszugleichen. Man kann sich das wie eine Art "Absaugen" vorstellen, als wenn man von oben einen Staubsauger über die Luftsäule halten würde. Aufsteigende Luft am Boden hat wiederum Druckfall zur Folge, ergo verstärkt sich das Tief. Der daraus resultierende Druckunterschied sorgt dann für eine kräftige Windzunahme.
Im Anhang finden Sie die zu erwartenden Spitzenböen in Kilometer pro Stunde für den morgigen Mittwoch. Schwerpunktmäßig ist neben den Berglagen vor allem der Nordwesten Deutschlands betroffen, wo verbreitet mit Sturmböen zwischen 65 und 80 km/h gerechnet werden muss, wobei die stärksten Böen meist an Schauer und Gewitter gebunden sind. Direkt an der Nordsee sowie in höheren Gipfellagen treten sogar schwere Sturmböen um 90 km/h auf. Selbst fernab des Tiefzentrums entlang der Oder sowie in Niederbayern wird man "Ingraban" in Form von Böen um 60 km/h (Bft 7) zu spüren bekommen. In der Nacht zum Donnerstag lässt der Wind nach Abzug des Tiefs allmählich nach.
Und wie gestaltet sich das Wetter in der zweiten Wochenhälfte? Es deutet sich eine Zweiteilung an. Während es in der Nordhälfte bei erneutem Durchzug einzelner Störungen wechselhaft und bei Höchstwerten zwischen 17 und 21 Grad relativ kühl bleibt, profitiert die Südhälfte des Landes von zunehmendem Hochdruckeinfluss und Temperaturen um 25 Grad. Zum Sonntag deuten sich nach derzeitigem Kenntnisstand im Süden lokal sogar wieder 30 Grad an, allerdings nicht ohne Schwüle und ansteigendem Unwetterpotential. Sie sehen, langweilig wird es in Sachen Wetter vorerst also nicht.
Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 06.06.2017