Wer im Urlaub schon einmal gesurft ist, weiß, dass die "perfekte Welle" enorm vom Wetter abhängig ist. Dabei ist die Theorie, die hinter der Vorhersage solcher Wellen steckt, alles andere als einfach. Grund genug, die von Surfern geliebten Wellen genauer unter die Lupe zu nehmen.
An der Küste lassen sie sich immer wieder mal bewundern: große Wellen, die in regelmäßigen Abständen kurz vor dem Strand mit lautem Getöse brechen und dann alle Spuren im Sand verwischen. Für Wellenreiter sind gute Wellen für eine aufregende Surfsession von grundlegender Bedeutung. Dabei spielt natürlich auch die Wettervorhersage eine wichtige Rolle, um abschätzen zu können, an welchen "Surfspots" die besten Wellen auftreten werden. Aber bevor wir zum Wetter kommen, müssen wir zunächst den Entstehungsmechanismus von Wellen näher betrachten.
Wirft man z. B. einen kleinen Stein in einen Teich mit einer flachen, ruhigen Oberfläche, so kann man sehen, wie sich kleine Wellen vom Auftreffort des Steins aus in alle Richtungen ausbreiten. Dabei haben die Wellen eine messbare Höhe (Amplitude) und Wellenlänge (horizontaler Abstand zweier Wellenberge) und legen eine bestimmte Strecke bis zum Ufer des Teichs zurück, wo sie letztlich brechen. Wirft man anschließend einen größeren Stein in den wieder beruhigten Teich, kann man feststellen, dass sich nun größere Wellen bilden, die sich wesentlich schneller in alle Richtungen ausbreiten.
Ähnlich verhält es sich nun mit den Wellen auf dem Ozean. Allerdings wird dort kein Stein ins Wasser geworfen. Der Wind hat hier den entscheidenden Einfluss auf das Wasser und sorgt für die Verdrängung von Wassermassen und somit für die Entstehung von Wellen. Im Detail kann man sich das so vorstellen: der Wind treibt durch Reibung einige Wassermoleküle auf der Wasseroberfläche an. Wenn sich diese Moleküle dann in Windrichtung bewegen, stoßen sie ihrerseits mit weiteren Wassermolekülen zusammen und setzen diese ebenfalls in Bewegung. So entstehen Wellen, die sich in die Richtung ausbreiten, in die der Wind weht. Allerdings sind diese im Bereich der sogenannten "Windsee" (Wellen, die direkt vom Wind beeinflusst werden; je nach Windstärke auch "Sturmsee" genannt) sehr chaotisch und rau und stellen damit alles andere als gute Surfbedingungen dar.
Stattdessen suchen die Wellenreiter sogenannte "swells" (im Deutschen auch als Dünung bekannt). Deren Größe hängt unter anderem von der Windgeschwindigkeit im Bereich der Windsee, von der Größe der vom Wind in einer bestimmten Richtung beeinflussten Wasseroberfläche (auch "fetch" genannt) sowie von der zeitlichen Dauer ab, die der Wind auf eine bestimmte Region im Ozean einwirkt. Die so entstehenden Wellen, die ausreichend Energie besitzen, um aus dem Einflussbereich des Windes (ihrem Entstehungsort, der Windsee) herauszulaufen, werden als "swell" bezeichnet.
Außerhalb des "fetches" kann sich der "swell" aufgrund des fehlenden Energieeintrags (Wind) allmählich ordnen, sodass es zu einer Homogenisierung der Wellenstruktur (z. B. Wellenhöhe, Wellenlänge, etc.) kommt und sich ganze "swell"-Ketten formieren. Diese können auch als Wellenpakete bezeichnet werden und bestehen aus individuellen Wellen, die sich mit gleicher Wellenlänge in einer Gruppe fortbewegen. Je weiter sich die Wellenpakete nun vom "fetch" entfernen, desto geordneter und definierter (also auch surfbarer) werden sie. Besitzen die Wellen in den Wellenpaketen zudem genügend Energie, können diese unterhalb der Wasseroberfläche in tiefen Gewässern aufgrund fehlender Hindernisse Tausende von Kilometern ohne signifikanten Größenverlust zurücklegen. Eine Welle mit einer Periode von beispielsweise 20 Sekunden reicht immerhin etwa 320 m unter die Wasseroberfläche des Ozeans.
Treffen die Wellenpakete nun auf Flachwasser bzw. auf Land, wo sie dann als "set" bezeichnet werden, bekommt die Welle Kontakt zum Meeresboden, sodass der untere Teil der Welle stärker abgebremst wird, als der zugehörige Wellenkamm. Daraufhin überholt der Wellenkamm den Wellenboden und die Welle bricht (auch engl. "surf" oder Brandung genannt). Natürlich können sich Wellen sowohl auf dem offenen Meer als auch im Flachwasser gemäß der Wellentheorie überlagern und somit gegenseitig vergrößern oder verkleinern.
Während die Surfanfänger am besten in den gebrochenen Wellen, im sogenannten "Weißwasser" üben, warten die Fortgeschrittenen und Profis im sogenannten "Line up", dem Bereich hinter den großen brechenden Wellen, auf die "perfekte", noch nicht gebrochene "grüne Welle" (siehe Grafik unter www.dwd.de/tagesthema).*
MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 04.05.2017