"In der Nacht wird es verbreitet frostig-kalt. Bei längerem Aufklaren sind über Schnee lokal bis minus 20 Grad möglich." Derartige Formulierungen findet man in den aktuellen Wetterberichten zuhauf. Immer wieder erscheinen die Hinweise, dass es nachts bei wolkenlosem Himmel über Schnee am kältesten wird. Doch stimmt das überhaupt und - wenn ja - warum ist das so?
Zur Veranschaulichung finden Sie im Anhang eine Grafik der morgendlichen Minima des heutigen Freitags kombiniert mit den aktuellen Schneehöhen. Daran erkennt man sehr schön, dass in der Tat ein Zusammenhang zwischen besonders kalten und dazu schneereichen Regionen besteht. Während entlang des Rheins (schneefrei) beispielsweise die Frühwerte meist zwischen minus 3 und minus 9 Grad im einstelligen Frostbereich lagen, gab es im tiefverschneiten Bayern verbreitet strengen Frost zwischen minus 10 und minus 17 Grad.
Wie kommen nun besonders tiefe Temperaturen zustande? In den Nachtstunden gibt die Erdoberfläche die tagsüber aufgenommene Energie (kurzwellige Einstrahlung der Sonne) als langwellige Ausstrahlung an die Atmosphäre ab (Wärmestrahlung). Bei vorhandener Wolkendecke wird ein Teil dieser Energie reflektiert und wieder zum Boden zurückgeworfen, die Abkühlung ist dadurch deutlich vermindert. Daher ist ein klarer Himmel Grundvoraussetzung für einen kontinuierlichen, bodennahen Abkühlungsprozess. Über der "weißen Pracht" kommt nun das hohe Reflexionsvermögen (Albedo) des Schnees zur Geltung. Insbesondere über frischen (noch nicht verunreinigten) Schneeflächen wird die solare Strahlung tagsüber nahezu vollständig reflektiert, eine starke Erwärmung der Oberfläche findet also erst gar nicht statt. Umso effektiver erfolgt somit die nächtliche Abkühlung.
Darüber hinaus wirkt eine frische Schneedecke mit ihren zahlreichen Lufteinschlüssen auch isolierend, die nächtliche Abgabe der darunter befindlichen Bodenwärme wird unterbunden. Erdbeerbauern können diesbezüglich "ein Lied davon singen". Zur Vermeidung von Fäulnis werden die Früchte im Frühjahr gerne von Stroh oder Holzwolle unterlegt, was eine starke Abkühlung der bodennahen Luftschichten zur Folge hat. In der Konsequenz liegen die Erdbeeren zwar trocken, drohen aber zu erfrieren.
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass auch der Wind eine wesentliche Rolle bei den angestellten Betrachtungen spielt. Bleibt dieser während der Nachtstunden lebhaft, so wird die Bildung von flachen "Kaltluftseen" infolge der permanenten Durchmischung erheblich erschwert, wodurch es milder bleibt.
Und wie geht es nun hierzulande mit dem Wetter weiter? Kurz gesagt: ohne wesentliche Änderungen. Das wetterbestimmende Hochdruckgebiet "Brigitta" bleibt stabil. Dort, wo also bereits Schnee liegt, wird dieser größtenteils erhalten bleiben (ein bisschen "Schwund" durch Sublimation gibt es immer). Da der vorhandene Schnee aber weiter "zusammensacken" - sprich - sich verdichten wird, minimieren sich auch die Lufteinschlüsse, weshalb seine isolierende Wirkung sowie die Ausstrahlungseigenschaften nicht mehr ideal sind. Auch wenn die Nächte also insbesondere über dem Südosten Deutschlands im strengen Frostbereich unter minus 10 Grad weiterhin knackig kalt bleiben, so liegen die Tiefstwerte in den kommenden Tagen doch etwas über denen der Vortage. Daher kann konstatiert werden, dass der Höhepunkt der Kältewelle trotz ausbleibender, durchgreifender Milderung vorerst überschritten ist. Alles in allem bleibt es mit Ausnahme des Nordens hochwinterlich.
Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 20.01.2017
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